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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.01.2005
Aktenzeichen: 20 W 435/04
Rechtsgebiete: AuslG, FEVG


Vorschriften:

AuslG § 57 II
AuslG § 63 VI
FEVG § 16
1. Sicherungshaft kommt nicht in Betracht, wenn nicht feststeht, dass der betroffene Ausländer abgeschoben werden soll.

2. Sicherungshaft darf nicht zu einer Art "Ersatzstrafe" werden.


Gründe:

Die Betroffene ist seit dem ... 1997 mit dem deutschen Staatsangehörigen Y, wohnhaft in O 1 Ortsteil ... verheiratet, lebt jedoch seit zwei Jahren von ihrem Ehemann getrennt bei ihrem neuen Lebensgefährten, Herrn X. Am .... September 2004 wurde die Betroffene, die über einen bis zum 24. Februar 2007 gültigen rumänischen Pass verfügt, wegen des Verdachts des Verstoßes gegen § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG sowie im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen ihren Lebensgefährten wegen des Verdachts der Beteiligung an räuberischer Erpressung festgenommen. Eine Vorführung vor einen Ermittlungsrichter erfolgte nicht.

Am 25. September 2004 stellte das Polizeipräsidium C beim Amtsgericht Fulda den Antrag, gegen die Betroffene Sicherungshaft bis zum 25. Oktober 2004 anzuordnen. Dem Antrag ist eine Strafanzeige "Aufenthalt ohne Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 92 (1) Nr. 1. AuslG" beigefügt, in der u.a. vermerkt ist, dass die Aufenthaltserlaubnis der Betroffenen am 16. Dezember 2003 abgelaufen und eine Vorführung der Betroffenen wegen räuberischer Erpressung nicht beabsichtigt sei. Außerdem sind dem Antrag Kopien einer Auskunft aus dem Ausländerzentralregister vom 25. September 2004 über die Betroffene, einer nur Angaben zur Person der Betroffenen enthaltenden Beschuldigtenvernehmung vom 24. September 2004, des Passes der Betroffenen und von Auszügen aus dem Familienbuch der Eheleute Y beigefügt. Der Antrag ist wie folgt begründet:

"Frau Y hält sich unerlaubt in der BRD auf. Sie wurde am ....09.04 in O 2 wegen Verd. d. Beteiligung an räuberischer Erpressung festgenommen

Gemäß § 42 AuslG ist bei unerlaubter Einreise in die BRD die Ausreisepflicht vollziehbar.

Sie ist ohne festen Wohnsitz in der BRD und es besteht der dringende Verdacht, daß sie sich der Zurückschiebung/Abschiebung entziehen will, bzw. sie sich der zuständigen Ausländerbehörde für die Durchführung der Zurückschiebung/Abschiebung nicht zur Verfügung halten wird.

Die Abschiebungshaft wird auf Grund des § 63 Abs. 6 AuslG gestellt, da die zuständige Behörde (Ausländeramt) nicht rechtzeitig zu erreichen war."

In der von dem Abschiebungshaftrichter des Amtsgerichts Fulda am 25. September 2004 offensichtlich in deutscher Sprache durchgeführten Anhörung hat die Betroffene folgende Angaben zur Sache gemacht:

"Ich bin noch verheiratet und habe mit meinem Mann in O 1 5 Jahre zusammengelebt. Vor zwei Jahren habe ich mich von ihm getrennt und lebe seither mit meinem Lebensgefährten dem anderweitig Beschuldigten, Herrn X, zusammen in O 3.

Im März/April d.J. wollte ich meine Aufenthaltsgenehmigung verlängern, doch die Ausländerbehörde in O 1 hat es abgelehnt, weil ich dort nicht mehr gemeldet bin. In O 4 konnte ich mich auch nicht anmelden, da ich keine gültige Aufenthaltserlaubnis habe. Ich habe mich im März/April von meinem Rechtsanwalt A in O 5 beraten lassen, der mir zur Ummeldung geraten hat.

Ich wohne in der Wohnung meines Lebensgefährten und hatte auch eine Arbeitserlaubnis. Sonstige Verwandtschaft habe ich in Deutschland nicht, aber in Rumänien.

Von der Abmeldung am 1.3.2002 habe ich nichts gewusst, damals habe ich noch bei meinem Mann gewohnt. Bisher haben wir von dem Textilgewerbe gelebt, das mein Freund betrieben hat und wenn es eng wurde, hat uns auch seine Mutter geholfen."

Mit Beschluss vom 25. September 2004 hat das Amtsgericht Fulda gegen die Betroffenen Abschiebungshaft für die Dauer von höchstens 1 Monat angeordnet. Das Amtsgericht geht davon aus, es bestehe der begründete Verdacht, die Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG - jetzt § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG).

Auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen vom 29. September 2004 hat das Landgericht Fulda nach mehreren Telefonaten mit den Ausländerbehörden der Stadt O 1 und des Landkreises O 6, in denen nicht geklärt werden konnte, ob die Abschiebung der Betroffenen überhaupt rechtmäßig ist, mit Beschluss vom 20. Oktober 2004 den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und angeordnet, dass die Betroffene ihre Auslagen selbst zu tragen habe. Das Landgericht hat die weitere Haft als unverhältnismäßig angesehen.

Gegen die landgerichtliche Entscheidung wendet sich die Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde vom 25. Oktober 2004, die sie auf den Kostenpunkt beschränkt.

Ihrem Antrag, der Staatskasse die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, kann nicht entsprochen werden, weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt.

Ihr Hilfsantrag, die außergerichtlichen Kosten dem Polizeipräsidium C aufzuerlegen, hat jedoch Erfolg, denn das Verfahren hat nach Auffassung des Senats ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung eines Haftantrages nicht vorlag (§ 16 Satz 1 FEVG).

Der Senat vermag nicht zu erkennen, worauf sich die Annahme des Antragstellers gründete, die Betroffene solle abgeschoben werden und wolle sich der Abschiebung entziehen. Der Antragsteller hatte nach seinem eigenen Vortrag vor der Antragstellung keinen Kontakt mit der für die Betroffene zuständigen Ausländerbehörde der Stadt O 1. Die Mitteilung aus dem Ausländerzentralregister enthält lediglich den Hinweis der Stadtverwaltung O 1, Ausländeramt/Einwohnermeldeamt, "Fortzug nach unbekannt am 01.03.2002". Hinweise auf irgendwelche aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder Ausschreibungen zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme (§ 42 Abs. 7 Satz 1 AuslG) fehlen.

Nach Auffassung des Senats reicht die auf die Beendigung der Aufenthaltserlaubnis und den meldebehördlichen Vermerk "Fortzug nach unbekannt..." gestützte Vermutung der Polizei, dass die Betroffenen gegen ausländerrechtliche Vorschriften verstoßen haben könnte, weder für die Annahme aus, die Betroffene solle abgeschoben werden noch für die Annahme, es bestehe ein Haftgrund im Sinne des § 57 AuslG (jetzt § 62 AufenthG). Ob etwas anderes gelten würde, wenn die Betroffene keine gültigen Papiere besitzen und über keine sozialen Kontakte in der Bundesrepublik Deutschland verfügen würde, kann hier dahinstehen; denn das Gegenteil ist der Fall. Danach kommt es auch nicht darauf an, dass die Betroffene weder von dem Antragsteller noch von dem Amtsgericht gefragt worden ist, wie sie sich verhalten werde, falls ihr aufenthaltsbeendende Maßnahmen drohen.

Der Senat hat schon wiederholt darauf hingewiesen, dass Abschiebungshaft ausschließlich dazu dient, eine zwangsweise Ausreise eines Ausländers zu sichern. Sofern strafrechtliche Verfehlungen im Raum stehen und die Polizei/Staatsanwaltschaft davon absieht, Untersuchungshaft zu beantragen, ist der Sachverhalt ganz besonders sorgfältig aufzuklären, weil die Abschiebungshaft keinesfalls zu einer Art "Ersatzstrafe" werden darf.

Ende der Entscheidung

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